Wegfall der Buslinie 969 Koblenz – Neuwied Niederbieber Schulzentrum

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir wenden uns an Sie als betroffene Familie (zwei Schulkinder) wegen der Einstellung der Buslinie 969 und hoffen darauf, dass Sie sich die Zeit nehmen, sich unser dringendes Anliegen anzuhören.

Der Schulbus fährt nicht mehr!

Zum 01.09.2020 wurde die Buslinie 969 von Koblenz nach Neuwied Niederbieber Schulzentrum eingestellt. Bis dahin hat unsere Familie und mehr als 70 weitere Kinder von Familien aus dieser Gegend diese Buslinie jeden Tag für ihren Weg zur Waldorfschule Neuwied genutzt. Die Buslinie bot eine direkte Verbindung zur Schule, die Fahrzeiten waren auf die Unterrichtszeiten abgestimmt, sodass wir guten Gewissens auch die kleinen Kinder schon ab dem 1. Schuljahr mit dieser Linie fahren lassen konnten. Die Busfahrer kannten und begrüßten die Kinder.

Die Linie wurde eingestellt, weil sich nach dem Ablauf des bestehenden Vertrages wegen der Konditionen kein Busunternehmen mehr auf die Ausschreibung zur Übernahme dieser Linie beworben hatte.

Dabei ist die Buslinie wirtschaftlich zu betreiben. Es gibt konkrete Interessenten, die die Linie betreiben möchten, aber es geht um die Konditionen. Das Problem liegt in der – absolut notwendigen – Einbeziehung in den Verkehrsverbund (hoffentlich wählen wir hier die richtige Begrifflichkeit), dazu unten.

Wer ist betroffen?

Die Buslinie 969 wird von 78 (!) Kindern benötigt, davon 42 aus dem Bereich Koblenz, 16 aus dem Bereich Vallendar und 20 aus dem Bereich Engers. 63 davon haben die bisherige Linie bereits mit festen Monatstickets genutzt, weitere 15 würden das bei einer Wiedereinrichtung tun bzw. die Buslinie nach Bedarf nutzen.

Bahn als Alternative?

Die alternative Bahnverbindung, auf die die Kreisverwaltung Neuwied verwiesen hat, ist mit bis zu 2x Umstiegen (Bahn, Bus, Bus), längeren Fußwegen und bis zu 30 Minuten Wartezeiten verbunden.

Leider ist das keine Option, weil die Kinder – darunter auch 5- oder 6-jährige Kinder in einer fremden Stadt – nicht damit zurechtkommen, wenn sie allein unterwegs sind und dabei mehrfach umsteigen und bis zu 30 Minuten auf den Anschluss-Bus warten müssen. Auch mit Zugverbindungen, die verspätet oder auf einem anderen Gleis ankommen oder auch mal ganz ausfallen, sind Grundschüler völlig überfordert. Es wäre absolut unverantwortlich, kleine Kinder unbegleitet auf eine solche Reise zu schicken. Insbesondere bei dem sehr frühen Hinweg sind immer wieder Kinder im Bus 969 eingeschlafen und wurden vom Busfahrer an ihrer Haltestelle geweckt; im Zug oder Linienbus wird sie niemand wecken. Es wurden auch schon jüngere Schüler dabei beobachtet, wie sie Münzen auf die Bahngleise gelegt haben, offenbar weil Ihnen die Gefahr dieses Verkehrsmittels aus Altersgründen nicht präsent ist.

Auch für die älteren Kinder ist die Bahnverbindung keine Alternative: Die Busse sind entweder deutlich zu früh an der Schule oder erst 10 – 20 min. nach Unterrichtsbeginn. Damit Koblenzer Kinder eine halbwegs brauchbare Verbindung für den Nachhauseweg erreichen, müssen diese die Ganztagsschule bereits etwa eine halbe Stunde vor Unterrichtsschluss beenden. Der Ablauf wird gestört, die Kinder stehen unter Stress und Bildungsinhalte werden versäumt. Hinzu kommen die Fahrtzeiten. Schon mit der alten Buslinie hatte die Kinder bis zu 2 Stunden Fahrtzeit pro Tag. Mit den alternativen Verbindungen steigt die Fahrtzeit für mache Kinder auf 3 bis 4 Stunden pro Tag.

Schultransfer privat beauftragen?

Den naheliegenden Gedanken, ein Bus- oder Taxiunternehmen privat zu beauftragen, haben unsere Schule und wir als Eltern natürlich intensiv geprüft; er hat sich aber leider schnell als nicht bezahlbar erwiesen. Die Preise einer privaten Buslinie wären schon für sich gesehen ohne Zuschuss kaum zu stemmen. Hinzu kommt aber das Problem mit dem dann fehlenden Verkehrsverbund:

Soweit wir das als betroffene Eltern verstanden haben, lief die Ausschreibung als Linie innerhalb des VRM, so dass diese Buslinie mit demselben Monatsticket genutzt werden könnte wie alle anderen Busse auch. Die in der Ausschreibung dafür angesetzten Kosten sind aber so hoch, dass Busunternehmer, die die Linie isoliert betrachtet wirtschaftlich betreiben könnten, das innerhalb dieses Verbundes nicht mehr anbieten wollen.

Auf der anderen Seite ist aber genau diese Einbindung die Grundvoraussetzung dafür, dass genügend Monatstickets von den betroffenen Familien gekauft werden können, um die Linie wirtschaftlich zu machen. Das Monatsticket kostet für Einzelmonate 105 €, im Jahresabo 85 € (inkl. Ferien). Schon das sind erhebliche Kosten für alle Familien. Um das an konkret betroffenen Menschen zu verdeutlichen: eine der Familien benötigt für 3 ältere Kinder ohnehin Monatstickets und muss daher – so oder so – ÖPNV-Kosten von bis zu Euro 4.000, – pro Jahr stemmen. Diese Familie z. B. kann dann aber natürlich nicht zusätzlich für die 3 Kinder noch eine private Busfahrkarte mit nochmal identischen Kosten pro Monat bezahlen.

Die Lösung muss im Verkehrsverbund liegen.

Wie ist die Situation im Moment?

Viele Kinder müssen jetzt mit Fahrgemeinschaften oder sogar Einzelfahrten gebracht werden, was für viele Eltern jeden Tag z. T. mehrere Stunden Zusatzbelastung bringt, mit entsprechenden Problemen im Beruf oder Minusstunden und Verdiensteinbußen.

Fazit – Negative Folgen für alle Beteiligten:

Die aktuelle Situation ist in vielerlei Hinsicht schlimm. Zunächst für die betroffenen Kinder und Familien (und damit indirekt auch die Kreise und Städte in denen sie leben) … aber eben nicht nur! Die Situation verursacht konkret Schaden. Schaden an der Umwelt und der Verkehrssituation, Schaden für Beruf und Arbeitgeber der Familien, Schaden an der Waldorfschule, Schaden an der Psyche aller Betroffenen und das in dieser sowieso schon sehr belastenden Zeit. Wir bitten Sie bei der Bewertung folgende Punkte zu betrachten:

  • Umwelt wird geschädigt: Bis zu 78 Kinder werden nun mit dem Auto zur Schule gebracht, statt den Bus zu nutzen. Das sind täglich 4 Fahrten a bis zu 25 Km (Koblenz HBF – Neuwied Schulzentrum) = 100 km täglich! Jeder hat heutzutage die Notwendigkeit einer Verkehrswende verstanden, aber hier werden 78 Personen, die regelmäßig den ÖPNV nutzen wollen, gezwungen weitgehend wieder auf den PkW zu wechseln. Neben der Belastung der Umwelt wird auch der morgendliche Pendlerstau noch länger.
  • Familien werden belastet: Größere Kinder benötigen die Monatskarte sowieso, nun kommen erhebliche Fahrtkosten für die PkW-Fahrten dazu. Die PKW-Fahrt in die Schule und zurück belastet die Familien aber nicht nur finanziell, sondern kostet auch enorme Zeit: Für Hin- und Rückweg zur Hauptverkehrszeit sind Koblenzer Familien 2 – 3 Stunden täglich auf der Straße unterwegs. Das ist für berufstätige Eltern eine echte Katastrophe!
  • Kinder leiden unter drohendem Schulwechsel: Nicht alle Eltern können ihre Kinder dauerhaft zur Schule fahren und wieder abholen. Der hohe Kosten- und Zeitaufwand lässt sich vorübergehend kompensieren, ist dauerhaft aber nicht mit dem Beruf vereinbar. In letzter Konsequenz bedeutet das einen erzwungenen Schulwechsel, der die Kinder erheblich belastet.
  • Standortfaktor für Neuwied ist in Gefahr: Wenn durch den Wegfall der Buslinie 969 für Koblenzer und Vallendarer Familien keine Möglichkeit besteht, die Waldorfschule planbar und sicher mit dem ÖPNV zu erreichen, werden von dort künftig kaum noch Kinder an der Waldorfschule angemeldet werden. Die Waldorfschule hat aktuell 428 Schüler/Schülerinnen und ist eine sog. „Fahrschule“, d. h. unsere Schule in Neuwied wird nicht nur von Kindern aus dem Stadtgebiet Neuwied, sondern aus dem ges. Landkreis Neuwied sowie aus der Region Koblenz, Lahnstein, Mendig, Mayen, Dierdorf und Ahrweiler angefahren. Bei langfristigem Wegfall und fehlendem adäquaten Ersatz der Buslinie 969 würden der Schule mittelfristig bis zu 65 Kinder fehlen. Das entspricht mehr als 15 % der Schülerzahl und wäre finanziell für unsere Waldorfschule ein herber Schlag. Der Erhalt der Waldorfschule ist aber im ureigenen Interesse von Neuwied. Für Familien ist die Schul-Infrastruktur einer Stadt ein wichtiges Entscheidungskriterium, sich dort niederzulassen. Gerät der Bestand der Waldorfschule in Gefahr, gerät auch dieser Standortfaktor in Gefahr.
  • Standortfaktor für Koblenz ist verschlechtert: Für Familien ist die Schul-Infrastruktur einer Stadt ein wichtiges Entscheidungskriterium, sich dort niederzulassen. Wenn durch den Wegfall der Buslinie 969 für Koblenzer Familien die Möglichkeit, ihre Kinder in einer erreichbaren (!) Waldorfschule ausbilden zu lassen, komplett wegfällt, ist das für manche ein Grund nicht nach Koblenz zu ziehen oder aus Koblenz weg zu ziehen. Zurzeit sind 42 Kinder aus dem Bereich Koblenz betroffen!
  • Finanzielle Entlastung für Koblenz: Die Koblenzer Schulen werden um die Kinder finanziell entlastet, die an die Waldorfschule gehen, da Koblenz für diese Kinder keinen Schulplatz finanzieren muss. Außerdem muss doch auch die Stadt Koblenz ein Interesse daran haben, die Nöte der Koblenzer Familien zu beachten, die von Koblenz aus ihre Kinder zur Waldorfschule schicken.
  • Langfristige Lebensplanung ausgehebelt: Die nun eingestellte Buslinie 969 bestand seit über 10 Jahren. Bei jedem Kind, das die Waldorfschule aus dem Koblenzer Bereich bzw. auf dieser Strecke besucht, hat das feste Vertrauen auf diese vorhandene Buslinie eine wesentliche Rolle bei der Schulwahl gespielt. Ein nicht unerheblicher Teil der Lebensplanung hängt an der Buslinie. Jetzt haben sich die Kinder an der Waldorfschule eingewöhnt und können sie nicht einfach so verlassen, müssen es aber eventuell, weil der Besuch der Waldorfschule für einige Familien ohne Buslinie auf Dauer unmöglich wird.

Was erhoffen wir uns von Ihnen?

Unsere herzliche Bitte an Sie: Machen Sie sich als stark für insgesamt 78 Kinder aus Ihrem Beritt und der näheren Umgebung. Wir brauchen Ihre Fürsprache, Ihr Engagement und Ihren politischen Einfluss, damit sich die Verwaltung hier nicht hinter Zuständigkeiten und gescheiterten Ausschreibungen versteckt, sondern praktikable, bürgerfreundliche Lösungen findet.

Selbstverständlich haben wir – bevor wir uns an Sie gewandt haben – Entscheidungsträger und Behörden mit unserem Anliegen angeschrieben. Einige haben (teils trotz Zusage) nicht geantwortet, andere haben es abgelehnt, sich aktiv an einer Lösung zu beteiligen oder sich nicht zuständig gesehen. Die Kreisverwaltung Neuwied und der Landrat sehen die Wege zur Schule auch nach Wegfall unserer Linie als ausreichend mit ÖPNV abgedeckt (also incl. 2x Umsteigen für 6jährige Schulanfänger), die Kreisverwaltung Mayen-Koblenz sieht die Kreisverwaltung Neuwied in der Pflicht …

Die Kinder und Familien sind mit dem Problem allein gelassen.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

Wir stellen uns eine bezuschussten Buslinie 969 vor, deren Fahrkarte/Monatsabo auch im Verkehrsverbund gültig ist.

Wie bereits oben geschildert, gibt es Unternehmen, die die Linie betreiben würden. Es ist aber eben erforderlich durch eine Bezuschussung die Einbindung in den Verkehrsverbund zu erreichen, so dass die Linie mit dem normalen Monatsticket genutzt werden kann.

Die Kosten dafür werden überschaubar sein und zwar spätestens dann, wenn sich alle beteiligten Stellen ihrer (gemeinsamen) Verantwortung, aber auch Ihrer Vorteile bewusst werden. Dazu zählen wegfallende Schulkosten, Standortattraktivität, Umwelt- und Verkehrsentlastung, soziale Verantwortung etc..

Der Kreis Neuwied, der Landkreis Mayen-Koblenz, die Stadt Neuwied und die Stadt Koblenz müssen sich mit der Schule und den betroffenen Eltern an einen Tisch setzen und eine gemeinsame Lösung suchen. Es sind viele Kinder und Familien aus jedem dieser Kreise und aus jeder dieser Städte betroffen.

Wir danken Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben, unser Schreiben zu lesen und wären sehr dankbar, wenn Sie uns in dieser wichtigen Sache Gehör verschaffen würden.

Herzlichen Dank im Voraus für Ihr Engagement! Auch im Interesse von mehr als 70 weiteren Kindern, die die Buslinie 969 genutzt haben und dringend wieder nutzen möchten, ja müssen.

Mit freundlichen Grüßen,